Geprägt von Durchbrüchen wie ChatGPT haben sich KI-Systeme heute fest in unserer Realität etabliert. Nachdem KI im B2C-E-Commerce schon lange eine zentrale Rolle z. B. bei der Bearbeitung von Kundenanfragen spielte, vollzieht sich ein ähnlicher Wandel nun auch im B2B-Segment. Besonders deutlich wird dieser Wandel beim Lieferantenmanagement.

Im typischen Einkaufsprozess ist die Verwaltung von Lieferantendaten eine besonders herausfordernde Tätigkeit. Fachkräfte sind lange damit beschäftigt, verschiedenste Dokumente wie Rechnungen und Lieferscheine zu überprüfen, die erfassten Daten mit anderen Informationssystemen abzugleichen und den gesamten Datensatz für den nachfolgenden Einkaufsprozess freizugeben. Wenn diese Informationen einzig auf Papier vorliegen, kann das Organisieren und Sortieren eine zusätzliche Herausforderung bedeuten. Das verschlingt wertvolle Zeit, die besser für brennende Aufgaben wie die Optimierung der Lieferkette oder die Risikobewertung genutzt werden könnte.

Vor diesem Hintergrund fokussieren sich Abteilungen oder ganze Branchen wie Logistik und Einkauf intensiv auf die Digitalisierung ihrer Geschäftsabläufe. Aktuelle Studien im Logistiksektor zeigen, dass ein Großteil der Führungskräfte plant, in den nächsten Jahren Technologien wie Cloud-Computing, Internet of Things, Big Data und Künstliche Intelligenz in ihre Arbeitsprozesse zu integrieren – mit gutem Grund.

Self-Service-Portale treffen auf KI-Chatbots 

Ein Ansatz in Richtung Digitalisierung sind die bereits existierenden Self-Service-Portale für Lieferanten. Diese Plattformen ermöglichen es Lieferanten, eigenständig Informationen zu ihren Produkten, Preisen und Bedingungen einzustellen, was den Onboarding-Prozess erheblich vereinfacht. Die Vorteile solcher Systeme sind enorm. Sie reduzieren nicht nur den manuellen Arbeitsaufwand, sondern können auch die damit verbundenen Kosten um bis zu 90 Prozent senken.

Eine Weiterentwicklung dieses Ansatzes sind KI-Chatbots. Diese digitalen Assistenten, eingebettet in Portale, kommunizieren in natürlicher Sprache mit den Lieferanten und können gängige Fragen zu Bestellstatus oder Lieferzeiten beantworten. Fortschritte in der KI-Technologie bedeuten, dass diese Bots in naher Zukunft sogar komplexe, mehrstufige Anfragen bearbeiten können.

Wenn ein Chatbot eine Anfrage nicht bearbeiten kann, kann er diese an einen menschlichen Ansprechpartner weiterleiten, wodurch eine durchgängige Unterstützung gewährleistet ist (auch „human handover“ genannt). Es braucht es keine hundertprozentige KI-Automatisierung des Prozesses, um den internen Arbeitsaufwand bereits immens zu reduzieren, wenn KI das Gros der Standardanfragen abfängt. Die externen Kontakte freuen sich derweil über einen neuen, 24/7 erreichbaren Kommunikationskanal.

Futter für die KI: Vernetzte Daten im Archiv der Zukunft

Für eine effektive Nutzung von KI-Chatbots und anderen KI-Tools ist ein zentralisiertes Datensystem unerlässlich. Dort konvergieren alle entscheidenden Daten, um die Intelligenz hinter den KI-Systemen zu speisen.

Eine KI, die mit unternehmensinternen Prozessen agieren soll, benötigt logischerweise interne Ressourcen und Daten. Während Verknüpfungen zu Kerntechnologien wie ERP und CRM zentral sind, gewinnen Dokumentenmanagementsysteme (DMS) in diesem Kontext rapide an Bedeutung. Diese Systeme haben über die Jahre eine Vielzahl an Verträgen, Rechnungen und anderen geschäftlichen Dokumenten gesammelt und sicher aufbewahrt. Mit dem steigenden Interesse an KI erkennen immer mehr Unternehmen den Wert dieser archivierten Daten.

Indem Unternehmen ihre archivierten Daten aus den Silos befreien und sie in der Cloud zentralisieren, entsteht ein verlässlicher Informationsanker für Daten aus dem gesamten eigenen Geschäft – ein Single Point of Truth (SPoT). Dieser verbesserte Daten-Hub bietet nicht nur einen optimierten Workflow innerhalb von Abteilungen, sondern auch tiefergehende Einblicke in interdisziplinäre Beziehungen und Strukturen.

Kombiniert mit Technologien wie Machine Learning und Data Analytics ermöglicht ein solches Archiv der Zukunft Unternehmen, innovative Anwendungsbereiche zu erkunden. Das könnte beispielsweise bedeuten, dass Einkaufsteams potenzielle Supply-Chain-Engpässe frühzeitig identifizieren, Compliance-Risiken ihrer Lieferanten abschätzen oder historische Daten für Benchmarking-Zwecke nutzen. Selbstverständlich bleiben diese wertvollen Informationen nur für das Unternehmen selbst einsehbar, das das Archiv füttert und betreibt.

Gamechanger in kritischen Alltagsprozessen

Die Perspektiven sind beeindruckend. Bei der Einführung digitaler Lösungen wie Self-Service-Portalen und KI-Chatbots ist jedoch eine durchdachte Strategie und Planung unerlässlich. Besonders im B2B-Sektor, wo stabile Netzwerke und vertrauensvolle, oft persönliche Beziehungen zentral sind, kann ein zu harter Umbruch auf vollautomatische Kommunikation auf Skepsis treffen. Daher ist ein integrativer Ansatz bei der Digitalisierung erforderlich, bei dem alle Beteiligten – Mitarbeitende, Geschäftspartner und Kunden – kontinuierlich in den Transformationsprozess eingebunden werden.

 

Autor: Andreas Zipser

Andreas Zipser ist seit März 2021 Vorstandsvorsitzender bei easy. Zuvor verantwortete er für den globalen Softwarehersteller Sage Group plc das Geschäft in Zentraleuropa. Unter anderem leitete er für diese Region auch die Einführung der Sage Business Cloud.

 

Der diplomierte Wirtschaftsmathematiker arbeitete in den letzten 27 Jahren u.a. außerdem in der Geschäftsführung für die CAS Software AG, in leitenden Positionen u.a. für SAS Institute sowie als Partner zweier Unternehmensberatungsgesellschaften.

Veerle Türling

Veerle Türling

Head of Ecosystem

Mit Herzblut setzt sich Veerle für die SaaS Provider ein. Ständig auf der Suche nach den coolsten Anbietern, hat sie einen guten Überblick über den Markt. Gemeinsam mit ihren Kollegen baut sie das größte SaaS Netzwerk auf.

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