Wie eindeutig ist eigentlich die Abgrenzung zwischen „A“ B2B SaaS-Unternehmen mit KMU als Kunden und „B“ B2B SaaS-Unternehmen mit der Zielgruppe Enterprise? Und wie positionieren sich erfolgreiche deutsche B2B Startups im Enterprise Segment? 🤔

Für manche Gründer stellt sich die Frage Enterprise und/oder KMU gar nicht erst. Weil die Lösung einen Use Case abbildet, der ohnehin nur für Unternehmen einer gewissen Größe eine Rolle spielt. Andere erfolgreiche SaaS Unternehmen (z. B. Slack oder Salesforce) beginnen ihre Reise aber auch mit einem Fokus auf KMU und Startups und lenken ihre Aufmerksamkeit schrittweise auf größere Verträge.

SaaS Kunden B2B: Enterprise vs KMU

Unternehmenstyp „A“ rechnet

  • 100.000 Kunden x 100 ARR = 10.000.000 ARR (anual recurring revenue)
  • A argumentiert, dass die CAC (cost of acquiring a customer) für Enterprise zu hoch seien. Die Akquise von KMU sei einfacher, da KMU geringere Anforderungen an SaaS Lösungen hätten. Das Geschäftsmodell sei besser skalierbar, da die Kundengewinnung ohne Outbound-Sales möglich ist. Des Weiteren wären KMU flexibler was interne Prozesse angeht und dadurch auch weniger aufwendig im On-Boarding.

Unternehmenstyp „B“ kalkuliert

  • 100 Kunden x 100.000 ARR = 10.000.000 ARR
  • B könnte einwenden, dass ein größerer Kunde dem eigenen Unternehmen einen größeren Mehrwert bringt, da ein einziger Kunde potentiell tausende von Nutzern mit sich bringt und Großkunden weniger häufig ihre Anbieter wechseln. Der LTV (Life Time Value) von KMU als Kunden sei im Vergleich einfach zu niedrig.

Entscheidend ist im Zweifel das Verhältnis von LTV zu CAC (LTV: CAC-Ratio = LTV / CAC). Je höher die sich daraus ergebende Zahl, desto besser. 🤑

Deutschlands Top 10 SaaS Player im Enterprise Segment

Im Folgenden fokussieren wir uns auf 10 ausgewählte SaaS Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland, die sich erfolgreich im heiß umkämpften Enterprise Segment durchgesetzt haben. Wir werfen dabei auch einen Blick darauf, ob ihre Ausrichtung in Sachen Kundensegment von Beginn an Enterprise war, oder ob sie sich erst nach und nach dorthin entwickelt haben. Unsere Top 10 in alphabetischer Reihenfolge:

Celonis 

Celonis bildet Geschäftsprozesse von Konzernen digital ab und ermöglicht ihnen mittels „Process Mining“ eine Echtzeit-Analyse auf verborgenes Prozesswissen. Mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und Sitz in München und New York zählt Celonis zu den Unicorns der internationalen SaaS Branche. Celonis wurde 2011 von den Kommilitonen der TU München, Bastian Nominacher, Martin Klenk und Alexander Rinke gegründet. Die letzte Finanzierungsrunde (Series-C) im November 2019 belief sich auf satte 290 Mio. EUR und reflektiert damit Celonis Anspruch auf Marktführerschaft auf dem branchenübergreifenden Gebiet der Execution Management Systeme (EMS).

Die Lösung ist klar auf Enterprise ausgerichtet. Bereits im Gründungsjahr konnte das Trio Kunden wie Siemens, Bayer Pharmaceuticals und den Bayerischen Rundfunk für sich gewinnen und zählt heute internationale Größen wie Uber, Airbus und Astra Zeneca zu seinen Kunden. 

commercetools

Mit über 200 Mitarbeitern in München, Berlin, Jena, den Niederlanden, UK, USA und Singapur ist das 2006 von Denis Werner und Dirk Hoerig gegründete Unternehmen commercetools GmbH eines der am schnellsten wachsenden SaaS-Unternehmen weltweit. Die Cloud-basierte E-Commerce Plattform trennt die Backend-Funktionalität vom Frontend und bietet über 300 API’s, die internationalen Unternehmen wie Audi, Hasbro und REWE dabei helfen, einheitliche und skalierbare Einkaufserlebnisse zu realisieren. 

commercetools hat sich von Anfang an strategisch an Enterprise Kunden ausgerichtet und ist damit gut gefahren. Das Münchener Unternehmen ist in den letzten 2 Jahren rasant gewachsen und hat zuletzt im Oktober 2019 eine Finanzierung in Höhe von 130 Mio. EUR von Insight Partners, für weiteres Wachstum in Europa, den USA und dem asiatisch-pazifischen Raum erhalten.

Contentful

Das Berliner Unternehmen Contentful hat in der letzten Finanzierungsrunde (Series-E) mehr als 70 Mio. EUR unter anderem von Sapphire Ventures bekommen und liegt damit bei einer Gesamtfinanzierung von 140 Mio. EUR. Die erfolgreichen Gründer Sascha Konietzke und Paolo Negri betreiben mit ihrer Content Plattform ein „API-first-CMS“ oder „Headless CMS“. Bei diesem Ansatz werden Frontend und Backend voneinander entkoppelt. Eine zentrale API spielt den Content an das Frontend aus. So können „digitale Erlebnisse“ für jeden Kanal und jedes Endgerät bereitgestellt werden.

Contentful richtet sich in seiner Kommunikation gleichermaßen an KMU und Enterprise. Das Unternehmen wächst also sowohl mit großen Firmenkunden wie Mailchimp, Heineken, Atlassian und Spotify, als auch durch die stetig wachsende Zahl an kleineren Teams und Unternehmen, die darauf angewiesen sind, eine einheitliche Kundenerfahrung über verschiedene digitale Kanäle abbilden zu können.

COYO

Best COYO GmbH bietet eine Social-Intranet-Lösung an und hat sich über 10 Jahre zu einem der führenden Unternehmen im Markt entwickelt. Das Startup wurde 2010 von Jan Marquardt und Daniel Busch gegründet und zählt mittlerweile über 140 Mitarbeiter am Standort Hamburg. Die Gründer haben ihr Unternehmen erfolgreich ohne die Unterstützung externer Geldgeber vorangetrieben. Ende 2020 kam es erstmals zu einer Wachstumsfinanzierung (Series-A) in Höhe von ca. 10 Mio. EUR seitens der Investment-Firma Marlin Equity Partners. Ziel des Investments sei es, die Social-Intranet-Plattform von COYO weiter auszubauen und die internationale Expansion voranzutreiben.

COYO positionierte sich von Beginn an unmissverständlich als „COYO – Enterprise Social Network“ und kann heute namhafte Kunden wie Metro AG, E.ON und die Vorwerk Gruppe vorweisen.

LeanIX

Das Bonner Unternehmen LeanIX wurde 2012 von Jörg Beyer und André Christ gegründet. Mit ihrer Enterprise-Architecture-Management Lösung, können Firmen eine vollständige Bestandsaufnahme ihrer IT-Landschaft vornehmen. In der (Series-D) Finanzierungsrunde unter der Führung von Goldman Sachs, hat LeanIX im Juli 2020 rund 66 Mio. Euro aufgenommen. Nach eigenen Angaben wächst das Unternehmen mit Kunden wie Adidas, Atlassian, Bosch und Vodafone, jährlich um über 100%. Von 240 Mitarbeitern arbeiten 60 in den USA, wo mittlerweile 40% des Umsatzes erzielt werden.

Das Pricing richtet sich bei LeanIX nach der Anzahl der Applikationen im Unternehmen und nicht nach der Anzahl der Nutzer. Während LeanIX 2016 noch angab, dass sich die Lösung für Unternehmen jeder Größe eigne, definiert das Unternehmen seine Zielgruppe heute als Enterprise Kunden mit mehr als 550 Mio. Umsatz im Jahr, mindestens 1000 Mitarbeitern und einer internationalen Ausrichtung. 

riskmethods

Mit ihrer Supply Chain Risk-Management SaaS-Lösung, hilft riskmethods Unternehmen, die Risiken in ihren Lieferketten zu identifizieren, zu bewerten und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen einzuleiten. Heiko Schwarz und Rolf Zimmer haben das Unternehmen mit Hauptsitz in München gemeinsam gegründet. Mit der letzten Finanzierungsrunde (Series-B, 2017) konnte sich riskmethods mit dem Hauptinvestor Digital+ Partners und Co-Investoren EQT ventures, Senovo und Bayern Kapital 13 Mio. EUR sichern und liegt damit bei einer Gesamtfinanzierung von 20 Mio. EUR. riskmethods ist 2019 um 120% gewachsen. Mit einer weltweiten Kundschaft ist das Unternehmen stark international ausgerichtet und beschäftigt an den Standorten München, Boston (USA) und Breslau (Polen) mehr als 150 Mitarbeiter.

Da die Lösung von riskmethods ein Lieferkettenproblem löst, richtet sich die Kundenorientierung naturgemäß stärker an der Branche als an der Unternehmensgröße aus. Nach eigenen Angaben ist die Lösung für Unternehmen jeder Größe geeignet.

Signavio

Das aus einem Open Source Projekt hervorgegangene Unternehmen Signavio wurde 2009 von Gero Decker, Torben Schreiter, Nicolas Peters und Willi Tscheschner in Berlin gegründet. Signavio bietet eine Business-Transformation-Lösung zur Prozessoptimierung in Großunternehmen an. Die Software analysiert Workflows und gibt Empfehlungen und Hilfestellungen, wie diese verbessert werden können. Mit Hauptsitz in Berlin und mehr als 300 Mitarbeitern, die auf Zweigstellen in 8 weiteren Ländern verteilt sind, ist Signavio international gut aufgestellt. In der letzten Finanzierungsrunde (Series-C) konnte das deutsche Unternehmen 157 Mio. EUR einsammeln, um die Expansion voranzutreiben. Key-Player in der Finanzierungsrunde war der Private-Equite-Investor Apax Partners.

Signavios erster Kunde war die AOK Brandenburg, mittlerweile gehören internationale Branchenführer wie Deloitte, Volkswagen, BNP Paribas und Roche zu Signavios Klientel. 

Staffbase

Die mobile-first Anwendung ermöglicht es Unternehmen verschiedener Größen, ihr firmeneigenes Intranet auf das Smartphone der Mitarbeiter zu holen, um immer eine direkte Kommunikation zwischen Unternehmen und Mitarbeitern gewährleisten zu können. Staffbase wurde 2015 von dem Trio Frank Wolf, Martin Böhringer und Lutz Gerlach in Chemnitz gegründet. Mittlerweile zählt das Unternehmen über 250 Mitarbeiter in Chemnitz, Dresden, Köln, München, Leipzig, Amsterdam, London und New York. In der letzten Investitionsrunde (Series-C) konnte Staffbase namhafte Investoren wie Insight Venture Partners, Capnamic und Eventures mit einer Investitionssumme von 20 Mio. EUR für sich gewinnen. Mit dem ambitionierten Ziel, neben der Weiterentwicklung des Produkts die Marktführerschaft in den USA zu erreichen. 

Die SaaS Lösung wird je nach Nutzeranzahl und Funktionsumfang abgerechnet. Neben internationalen Firmen wie Siemens, Heineken und Daimler nutzen auch kleinere Unternehmen die App. Während die Kleinunternehmen anfangs noch eine tragende Rolle für das Unternehmenswachstum spielten, geben in der jetzigen Phase mittelgroße bis sehr große Unternehmen den Ton an. 

Uberall

Uberall wurde 2013 von David Federhen, und Florian Hübner gegründet. Die SaaS-Lösung erlaubt es Einzelhändlern aus allen Branchen, Kontrolle über ihre Brand-Experience bei lokalen Suchanfragen zu übernehmen. Uberall hat unter Führung des Wachstumsfonds HPE Growth Capital zuletzt 2018 eine (Series-B) Finanzierungsrunde mit 20 Mio. Euro abgeschlossen und liegt damit bei einer Gesamtfinanzierung von etwa 45 Mio. Euro. Das internationale Unternehmen mit Hauptsitz in Berlin beschäftigt über 300 Mitarbeiter an den Standorten Amsterdam, Berlin, Detroit, London, Montréal, Paris und San Francisco. Zu den Kunden zählen Unternehmen wie KFC, Vodafone, Douglas und Thyssenkrupp.

Während Uberall zu Beginn noch kleinere Firmenkunden adressierte, besteht die wichtigste Zielgruppe heute aus globalen Retailern. Das Geschäft mit KMU wird heute größtenteils über Reseller wie Medianagenturen abgewickelt. 

Userlane

Felix Eichler, Hartmut Hahn und Kajetan Uhlig reihen sich in die Gruppe der erfolgreichen deutschen Gründer-Trios ein. Mit ihrem 2015 gegründeten Unternehmen Userlane GmbH bieten sie eine SaaS Lösung an, die Unternehmen die Adaption und Implementierung neuer Software Lösungen vereinfacht.  Das Münchener Unternehmen zählt mittlerweile mehr als 80 Mitarbeiter und hat Mitte 2020 eine Wachstumsfinanzierung von 10 Mio. Euro erhalten, um die Internationalisierung in Europa und den USA voranzutreiben. Es handelt sich hierbei um eine (Series-B) Finanzierung mit der Beteiligung von Five Elms Capital und Capnamic. Capnamic war 2018 bereits an einer ersten Finanzierungsrunde im Wert von 4 Mio. Euro in Zusammenarbeit mit dem High-Tech Gründer Fonds beteiligt.

Mit Großkunden wie BMW und der Commerzbank ist Userlane bereits fest im Enterprise Segment etabliert. Zum Kundenstamm gehören aber auch erfolgreiche SaaS Unternehmen wie Celonis und Personio. Userlane bietet auf seiner Website nach wie vor auch ein Lösungspaket für Startups an.

Fazit

Eine klare Abgrenzung von SaaS-Lösungen-für-KMU und SaaS-Lösungen-für-Enterprise-Kunden ist nicht immer sinnvoll. Nur 4 von 10 der vorgestellten Unternehmen positionierten sich von Beginn an als Enterprise Lösungen.

Für mehr als die Hälfte (6 von 10) gilt, dass zumindest in der ersten Wachstumsphase des Unternehmens, die Zielgruppe KMU eine tragende Rolle gespielt hat. Für einige (3 von 10) der betrachteten SaaS Unternehmen tun sie das auch heute noch.

Aus diesen Erfolgsgeschichten lässt sich auch ableiten, dass deutsche SaaS Provider offensichtlich ein Händchen für die Lösung komplexer Problemstellungen in Unternehmen haben. 🇩🇪 🙌

Wie positioniert ihr eure Enterprise SaaS Lösung am Markt? Welche Rolle spielen KMU in der kurzfristigen und langfristigen Wachstumsstrategie deines Unternehmens? Diese und weitere spannende Themen besprechen wir gerne mit euch in unserem Interview-Format Cloud Ecosystem Live. Bein Interesse meldet euch gerne bei daniel.greiner@cloudecosystem.org.

Bildquelle: Sergey_T/Shutterstock.com

 

Daniel Greiner

Daniel Greiner

Senior Ecosystem Manager


Als Kenner des deutschen SaaS Marktes baut Daniel unser europäisches Ecosystem aus. Er kümmert sich u.A. um Initiativen, Video-Content, Kampagnen und Mitglieder.

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